Geschlechtsspezifische Barrieren beim Aufstieg auf der Karriereleiter
Frauen im Management – ein Steiniger Weg! Prof. Dr. Erika Regnet ist Professorin für Personal und Organisation in der Hochschule Augsburg und beschäftigt sich in einem Artikel in der Fachzeitschrift reportpsychologie ausführlich mit dem Thema der geschlechtsspezifischen Barrieren beim Aufstieg auf der Karriereleiter. Besonders Frauen haben immer noch Schwierigkeiten, in Führungspositionen aufzusteigen. Bezüglich der Fakten, der tatsächlichen Situation und möglicher Ursache gibt es in der breiten Bevölkerung viel Halbwissen und Vorurteile. Schauen wir uns das Thema einmal genauer an:
Frauen haben aktuell im Durchschnitt einen besseren Bildungsstand als Männer. Im Zuge der Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte schneiden Frauen heutzutage oft besser ab, erreichen bessere Noten und Schul-/Hochschulabschlüsse als Männer. Dennoch liegt der Frauenanteil im Vorstand der 160 DAX/MDAX/SDAX-Unternehmen bei durchschnittlich 9,2%. Zum Vergleich: 1988 lag der Anteil bei 5,9% – es hat sich also in den Unternehmen nicht viel geändert, obwohl sich das Bildungsniveau der Frauen stark verändert und verbessert hat. In manchen Branchen ist aktuell sogar ein Rückgang des Frauenanteils zu beobachten. Nach dem auf dem Wirtschaftsmarkt allgemein anerkannten Motto „women love people, men love things“ (Frauen lieben Menschen, Männer lieben Dinge) zeichnet sich eine deutliche geschlechtsspezifische Selbstselektion ab, über viele Bereiche hinweg und sogar branchenintern.
deutliche geschlechtsspezifische Selbstselektion – Woran könnte das liegen?
Denkbare Ursachen lassen sich zunächst einmal unterteilen in internal, also durch die Frauen selbst bedingt, und external, also im System und der Gesellschaft begründet. Betrachtet man die internalen Aspekte kann man feststellen, dass Frauen im Gros verschiedene Lebensziele und Einstellungen zum Beruf haben als Männer. Frauen wollen zwar oft Karrieren, sind aber selten bereit, für diese Karriere alles andere zu opfern – Freizeit, Familie, Selbstverwirklichung. Was diese Bereitschaft angeht haben Männer eindeutig die höhere Führungsmotivation. Es werden schlicht verschiedene Prioritäten gesetzt.
geringe Risikobereitschaft des weiblichen Geschlechts
Eine Eigenschaft vieler Frauen ist zudem eine geringe Risikobereitschaft. Dies kann sich natürlich positiv auswirken, z.B. durch Vermeidung von Verlusten. Allerdings kann es auch den Aufstieg einer Frau behindern, z.B. durch nicht genutzte Chancen. Ein weiterer internaler Faktor ist die Selbstbeurteilung. Diese unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen deutlich: Männer neigen dazu, Erfolge auf ihre eigenen Fähigkeiten zurückzuführen und sich selbst nicht übermäßig zu kritisieren. Frauen hingegen attribuieren Erfolge häufig auf Glück oder Unterstützung durch andere und kritisieren und hinterfragen sich selbst stärker. Dies führt zu einem geringeren Selbstvertrauen.
Wenn man das Stereotyp Mann betrachtet, mit all den Eigenschaften, die Männern üblicherweise zugeschrieben werden (z.B. dominant, wenig verletzlich), stellt man eine große Überschneidung fest zur Anforderungsliste eines erfolgreichen Managers. Frauen werden hingegen oft mit anderen Eigenschaften in Verbindung gebracht, wie harmoniebedürftig und sympathisch. Diese wiederum haben viele Gemeinsamkeiten mit den Eigenschaften erfolgloser Manager. Demnach beurteilt man Bewerber oft nach diesen stereotypen Mustern, welche zugunsten der männlichen Bewerber ausfallen. Natürlich haben Frauen nicht alle und nicht nur die ihnen zugeschriebenen Merkmale. Doch trotz der Bekanntheit dieser Stereotypen fällt es sehr schwer, Entscheidungen nicht an ihnen auszurichten.
Systemfehler Karriere
Doch es liegt nicht nur an den Frauen selbst – es lassen sich verschiedene Punkte im System des Arbeitsmarktes identifizieren, welche Frauen den Aufstieg erschweren. Zum einen sind Führungspositionen in aller Regel mit Vollzeitstellen und Überstunden verbunden. Teilzeitstellen reichen für diese Positionen also nicht aus – doch fast jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland arbeitet in Teilzeit, auch um Beruf und Familie besser zu vereinen. Hier lässt sich eine Retraditionalisierung beobachten: In vielen Familien wird das alte Familienmodell aufgegriffen, nach dem der Vater arbeiten geht und die Mutter sich um die Kinder kümmert – ob die Frau das so wollte oder nicht. Zusätzlich gibt es Arrangements, die es für die Frau sogar attraktiv macht, in einem schlecht bezahlten Job oder auch Minijob zu arbeiten. Arbeitet die Frau in einem Minijob, kann sie kostenlos über den Partner krankenversichert werden. Ist der Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau groß, lohnt sich außerdem das Ehegattensplitting umso mehr.
Realitätsschock in Aufstiegschancen und Chancengleichheit
Hat Frau trotz alledem eine hohe Karrieremotivation sowie hohe Qualifikationen, fällt der Aufstieg dennoch schwer: Frauen werden in aller Regel langsamer befördert als Männer. Das heißt, eine Frau muss mehr leisten als ein Mann, um befördert zu werden. Frauen stehen oft vor einem Dilemma: sie wollen führen, aber sie wollen auch gemocht werden. Diese beiden Wünsche lassen sich selten vereinen. Verhält sich eine Frau stereotyp wird sie für sympathisch aber auch inkompetent gehalten. Verhält sie sich jedoch anders, eben so wie es stereotyp eher Männer tun, wirkt sie zwar kompetent aber auch unsympathisch. Eine Folgeerscheinung dieser Mechanismen ist oft ein Realitätsschock der Frauen. Nach einiger Zeit im Beruf merken viele Frauen, dass ihre Aufstiegschancen geringer sind als gedacht. Dies führt häufig zu Resignation und einer Anpassung der eigenen Erwartungen und Motivation.
In bestimmten Situationen jedoch sind Frauen als Führungskräfte gewünscht, nämlich in Krisensituationen, wenn z.B. der Aktienkurs einer Firma niedrig steht. Männer scheuen in diesen Momenten oft die Verantwortung aus Angst vor Schuldzuweisungen im Falle einer Eskalation der Krise. Frauen werden in solchen Situationen allerdings auch gerade wegen der ihnen stereotyp zugesprochenen Eigenschaften wertgeschätzt: In Krisen ist es wichtig, weniger risikobereit zu sein und gut mit Menschen umgehen zu können.
Was kann getan werden, um die Aufstiegschancen für Frauen anzugleichen?
Es gibt nicht den einen Lösungsweg, der alles verändert – vielmehr muss dieses Phänomen vielseitig angegangen werden. Frauen selbst können mehr Einsatz, mehr Motivation zeigen. Unternehmen können beispielsweise im Sinne von Transparenz eine klare Definition von Auswahlkriterien vorlegen, bei der Ausschreibung von Stellenanzeigen darauf achten, Frauen mit der Wortwahl nicht abzuschrecken, und Frauen in die Entscheidungsgremien aufzunehmen. Anonymisierte Bewerbungen könnten ebenfalls helfen – dies wäre auch hilfreich im Sinne der Minimierung von Vorurteilen gegenüber Bewerbern anderer Hautfarbe oder Religion. Die Firma Porsche setzt bspw. auf ein gekonntes Verhaltensdesign, indem es die geschlechterfaire Beförderung als Anforderung /Ziel sieht und diese durch Maßnahmen wie Arbeitszeitflexibilisierung und Homeoffice möglich macht. Diesem Beispiel folgend könnten Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, die Chancen für Frauen fairer zu machen. Dann liegt es an den Frauen, in der fairen Konkurrenz mit Männern als Sieger hervorzugehen.
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Marieke Kemper Bachelor of Science
Autorin im Psy-Blog
studiert Psychologie an der Universität Saarbrücken
Praktikantin in der Psychologischen Praxis seit 2020